Würdigung von Maria Henke zum 100. Geburtstag

Maria Henke

Ein 100. Geburtstag ist immer etwas ganz Besonderes. Der 22. Januar 2014 war so ein besonderer Tag für Maria Henke in Schönborn. Unsere Ehrenvorsitzende wurde am 22. Januar 100 Jahre alt.
Liebe hochverehrte “Minke” wie wir dich voller Zuneigung und Respekt nennen dürfen. Du stehst auf einer hohen Stufe deines Lebensalters und übersiehst mit erfahrenem Auge einen langen und auch schweren Lebenszeitraum. Aber mit deiner Ausdauer, Geduld und Stärke hast du es bis zur 100. Lebensstufe geschafft. Aus diesem Anlass möchten wir dir recht herzlich gratulieren, Gesundheit und alles erdenkliche Liebe und Gute wünschen. Vor allem danken wir dir, unserer Ehrenvorsitzenden und unserem zugleich ältesten Mitglied für dein großartiges Engagement in unserem Förderverein “Kirchensanierung-Schönborn / Studanka”. Herzlich freuen wir uns mit dir gemeinsam, dass du durch Gottes Güte von neuem den Tag erleben durftest, an welchem du vor 100 Jahren das Licht der Welt erblickt hast. Der Vorstand und alle Mitglieder, Förderer und Spender des Fördervereins sind sehr stolz auf dich. Deine beiden Söhne, Hannes und Wenzel und die vier Enkelkinder, sind stolz darauf, eine so gute Mutter und ehrwürdige Großmutter zu besitzen.

Was wünscht man einem Geburtstagskind mit 100 Jahren, das ein ganzes Jahrhundert Geschichte miterleben durfte? Mit welcher Gelassenheit und Zufriedenheit kannst du auf die verflossenen 100 Lebensjahre zurückblicken? Eine kleine Rückschau soll darauf eine Antwort versuchen.

In deinem Leben gab es sicher viele glückliche Momente, aber auch sehr unangenehme, vor allem historisch schreckliche Ereignisse. Es reflektiert beinahe das ganze 20. Jahrhundert und ist daher ein beredtes Zeugnis dieser Zeit. Es lädt uns geradezu ein zu einer außerordentlichen Zeitreise; und so wollen wir uns an einige Stationen auf dem Lebensweg von Maria Henke mit Hochachtung und Dankbarkeit erinnern. Unsere Zeitreise und unseren Blick starten wir mit dem Beginn deines Lebensweges in Schönborn, dem heutigen Studanka.
Du, liebe Minke, wurdest am 22.Januar 1914, an einem Donnerstag, als eines von 5 Kindern der Familie Kaufmann in Schönborn geboren. Laut Wetteraufzeichnung war es an diesem Wintertag erheblich zu kalt. Der 22. Januar 1914 war nicht nur ein Kalenderblatt in der Geschichte. An diesem Tag wurde vom Zeppelin-Luftschiff „Sachsen“ der Postdienst nach Helgoland aufgenommen und im Januar ließ Henry Ford seine Autoproduktion in Amerika erstmalig in der Welt auf Fließbandfertigung umstellen. Beides war ein bedeutender industrieller Fortschritt. Es war aber auch die Zeit der wirtschaftlichen Not, der Massen-arbeitslosigkeit und des sozialen Elends von dem besonders auch die deutschen Siedlungsgebiete im Sudetenland betroffen waren. Schließlich wütete über dem europäischen Kontinent von 1914 bis 1918 der Erste Weltkrieg, der das Ende des deutschen Kaiserreiches einläutete.
Von bestimmendem Einfluss für deinen Lebensweg waren ohne Zweifel die christlichen Werte und Überzeugungen in deinem Elternhaus. Es war die Zeit als Papst Pius X., sein Reform-Pontifikat mit dem Anliegen, der Religion innerhalb der Gesellschaft eine größere Wirksamkeit zu verschaffen, begann. Dem Christentum fühltest du dich immer nah, bekamst Werte wie Gottvertrauen und Nächstenliebe quasi in die Wiege gelegt. Und das, so vermuten wir, wird auch der Grund sein, warum der liebe Gott dich, verehrte Minke, 100 Jahre alt werden ließ.
Nach deiner von Hunger und Not geprägten Kindheit begann mit deinem 10. Lebensjahr gegen Ende des Jahres 1924 eine weltweite wirtschaftliche Stabilisierung, eine Zeitspanne, die als die »Goldenen Zwanziger« in die Geschichte eingeht. Das „Gold“ der 20-iger Jahre hat seinen Weg sicher nie bis nach Schönborn gefunden und so bist du in deiner Jugend dem Schönborner Arbeiterturnverein beigetreten. Schon um die Jahrhundertwende hatte der Turnverein im Sudetenland mehr als 1000 Mitglieder. Die Turner waren auch in den umliegenden Dörfern tätig und förderten dort den Turnsport, so dass sich daraus sehr bald eigenes Vereinsleben entwickeln konnte. Deine Mitwirkung für Gesundheit und Frohsinn im Turnverein zählte sicher mit zu den unbekümmerten und schönen Momenten in deiner Jugendzeit. Denn bereits 1934, als du, liebe Minke, deinen 20. Geburtstag gefeiert hast, war der Rüstungswettlauf trotz aller Appelle und beschönigenden Reden von Politikern der großen Mächte in vollem Gange. Nicht nur das Sudetenland, sondern ganz Europa und die ganze Welt wurde vom Strudel der Kriegsereignisse erfasst. Der Stein war geworfen, und es schien nicht nur, sondern es war auch so, dass die Woge des Hasses und der Gewalt nun überall überzuschwappen begann. Dein unerschütterlicher Glaube an Gott war mehr als nur ein Haltegriff in diesen schwierigen Zeiten und dein Glauben hat dich, verehrte Minke, zu einem Leben befähigt, in dem die Hoffnung größer war als die Angst. In der Ehe mit Hans Henke und der Geburt deiner beiden Söhne Hannes und Wenzel findest du, verehrte Maria Henke, den familiären Rückhalt und das kleine Glück in deinem Privatleben.
Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges und der sudetendeutschen Tragödie durften von den 3 Millionen Heimatvertriebenen nur noch rund 250.000 Deutsche mit eingeschränkten Bürgerrechten bleiben und wurden zum Teil zur Zwangsarbeit eingesetzt. Zurückbleiben mussten vor allem zahllose Facharbeiter aus der Industrie. Die Rechte der Minderheiten, allen voran die der Sudetendeutschen, wurden beschnitten und die Deutschen wurden zu Bürgern 2. Klasse. Laut den Angaben der Volkszählung von 1950 gab es zu diesem Zeitpunkt in der Tschechoslowakei noch ca. 165.100 Menschen die deutsch als Nationalität angaben. Sie erhielten die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft erst 1953 zurück, die sie genauso wie die Heimatvertriebenen verloren hatten. Im Jahre 2001 gab es im Gebiet Aussig und Karlsbad sowie insgesamt im früheren Gebiet Mähren-Schlesien gerade noch 38.321 Angehörige der deutschen Minderheit. Beide Völker büßen heute noch für eine Schuld, die ihnen keiner erklären konnte.
Jeder Mensch ist mit seiner einmaligen Lebensgeschichte eine Bereicherung für alle. So arbeitete unsere Maria Henke seit 1945 bis zu ihrem Rentenalter im Schönborner Gemischtwarenladen, einer Art „Konsum“.
Mit kluger Weitsicht und sicherem Gespür für das was Jung und Alt in Schönborn und umliegenden Gemeinden wünschen und brauchen, hast du, liebe Minke, als vielgeachtete Verkäuferin Bewundernswertes erreicht. Darüber hinaus hast du stets mit Elan und Tatkraft „Generationen-Brücken“ gebaut, indem du den „Daheim Gebliebenen“, die der tschechischen Sprache nicht mächtig waren, stets geholfen und sie liebevoll betreut hast.
Dein ganzes Leben hast du als Dienst im Glauben an Gott von Mensch zu Mensch aufgefasst, um stets zu helfen, wo Hilfe nötig ist. Du wollte kein Vorbild sein, sondern schlicht, konsequent und mit Empathie dem Vorbild eines Jesus folgen, der sich um die Mühseligen und Beladenen kümmerte.
Als ”gute Seele”, der Kirchgemeinde in Schönborn hast du dich verlässlich und doch so bescheiden seit vielen, vielen Jahren um den Erhalt des Friedhofs in Schönborn gekümmert und bist immer eng mit der Kirche des Heiligen Franz von Assisi in Schönborn verbunden geblieben. Dafür, liebe Minke, unseren Dank und ein großes “Vergelt´s Gott”. Auch in der Partnerstadt Böblingen wurde dein bleibendes Engagement für den Schönborner Friedhof nachhaltig bekannt und so erfolgte die Anerkennung deines „Lebenswerkes“ mit der Silbernen Ehrennadel der Stadt Böblingen. Die Pflege und Instandhaltung der Gräber der verstorbenen Angehörigen der Heimatvertriebenen, die Ordnung und Sauberkeit auf dem Schönborner Friedhof war und ist dir auch heute noch eine Herzensangelegenheit und so trägt der Schönborner Friedhof mit zahlreichen Facetten deine Handschrift, verehrte Minke.
Deine humorvolle Offenheit und dein christlicher Glauben ermöglichten, dass immer wieder Brücken zwischen den Verantwortlichen der Kirche in Varnsdorf und den einfachen Gemeindemitgliedern in Schönborn gebaut wurden.
Liebe Minke, mit deiner Menschenkenntnis und Sensibilität, mit deiner Tatkraft und deiner Bodenständigkeit ist es dir gelungen in all den Jahren die zahlreichen Gottesdienste und Kirchenfeste in Schönborn zu organisieren und zu finanzieren. All dies hat dazu beigetragen, dass du deine persönliche Lebensleistung mit so großem Fleiß und mit viel Geschick im Umgang mit Menschen und mit allen deinen Wegbegleitern und Wegbegleiterinnen wie zum Beispiel mit der Familie Traudl und Erich Bena erfolgreich gemeistert hast. Auch ihnen gebühren unser Dank und unsere Anerkennung. Einen ganz besonderen Dank hat sich dein engster Familienkreis mit deinem Sohn Hannes und seiner Frau Halina, den Enkeln Karin und Hannes jr. und deren Ehepartnern Tomas und Petra verdient, die dich, liebe Minke, an deinem Lebensabend liebevoll umsorgen und pflegen.
Nochmals ganz herzlichen Dank für dein großes persönliches Engagement und hohe Anerkennung für dein vorbildliches Wirken für das christliche Gemeindeleben in unserer Heimatkirche des Heiligen Franz von Assisi in Schönborn / Studanka.
Verehrte Jubilarin, Maria Henke, wenn Herz und Vernunft übereinstimmen, gibt es einen Weg der Hoffnung. So hast du nie die Verbindung zu den sudetendeutschen Heimatvertriebenen abreißen lassen. Du hast bewiesen, dass der Blick auf geschichtliche und tragische Ereignisse menschliches Verständnis, Versöhnung und die gemeinsame Bewältigung von belastenden Erlebnissen stets Vorrang haben muss. So hast du den „Förderverein Kirchensanierung Schönborn“ von Anfang an begleitet. Es wurde zu deiner Herzens-angelegenheit, die Sanierung des Kirchturmes unserer Heimatkirche aktiv durch die Sammlung vieler Spenden zu unterstützen. Das gemeinsame Ziel, den Kirchturm der Kirche des Heiligen Franz von Assisi in Schönborn/Studanka auch in einem weiteren zweiten Bauabschnitt zu sanieren, ist auch ein Beitrag dafür, durch gemeinsames Zusammenwirken das zu überwinden, was uns in der Vergangenheit getrennt hat. Unter Deutschen und Tschechen sind die Menschen guten Willens in der Überzahl. Die gemeinsamen Gottesdienste und Kirchenfeste der letzten 8 Jahre in Schönborn / Studanka zeigen deutlich das Bemühen beider Seiten um Versöhnung und durch Gespräche, Begegnungen und Hilfe alte Vorurteile abzubauen und die Annäherung zwischen Deutschen und Tschechen zu fördern. Nur so kann die deutsch-tschechische Nachbarschaft gelingen! Ganz im Sinne der Ringparabel in „Nathan der Weise“ des großen deutschen Aufklärers Gotthold Ephraim Lessing, welcher ebenfalls wie du, unsere hochverehrte Jubilarin Maria Henke, am 22. Januar geboren wurde und dessen Geburtstag sich in diesem Jahr zum 285. Mal jährt, ist die darin enthaltene Aufforderung zu Menschlichkeit und Toleranz der verschiedenen Religionen und aller Menschen untereinander hoch aktuell.
In diesem Sinne gratulieren wir dir, verehrte Maria Henke, zu deinem 100. Geburtstag und danken dir als unserem Ehrenmitglied des Fördervereins „Kirchensanierung Schönborn e.V.“, den du stets mit großem persönlichem Einsatz aktiv gefördert hast herzlich für dein herausragendes Wirken.